Viele Arbeiten Bodo Korsigs thematisieren menschliche Verhaltensmuster unter Extrembedingungen wie Angst, Gewalt, Tod. Mit ihrem reduzierten Formenrepertoire und knappen, expressiven Aussagen muten sie archaisch an. Dagegen erscheint das Ergebnis seiner Beschäftigung mit dem menschlichen Gehirn, das neben Gesicht und Figur unsere Individualität und Besonderheit begründet, avantgardistisch. „Where can I buy a new brain?“ betitelt er eine Folge von Holzschnitten zu diesem Themenkomplex. Den Großteil dieser Blätter nehmen an Synapsen, Nervenzellen- und –stränge erinnernde, ganglienförmige, abstrahierte Mikrokosmen ein, die sich klar vor einem transparenten Hintergrund abzeichnen. Die unspezifischen Gebilde erinnern an die kantigen und dennoch verletzlichen Formen von Korsigs Plastiken. Prägnanz erhalten die Holzschnitte durch farbige, sockel-artige Balken mit kurzen Aufschriften wie „I do without“, „My soul is dirty“, usw.. Diese Aussagen stehen fragmentarisch und rätselhaft im Raum und lösen eine Kette von Assoziationen aus.
Plastischen Ausdruck findet Korsigs Auseinanderswetzung mit dem menschlichen Hirn in den schwarzen Wandobjekte „Brainworms“, „Schleier des Vergessens“ und den fragilen, aus Keramik hergestellten „Gehirnpropellern“. Die Bodo Korsigs Phantasie entsprungenen, medizinisch unbekannten Kleinteile der Hirnregion symbolisieren Umtriebigkeit. Sind sie eine Erklärung für seelische Abgründe und rational nicht erklärbare Verhaltensweisen, wie zum Beispiel die erste Phase des Verliebtseins, unvermittelt ausbrechende Gewalt, das Antriebspotential von Selbstmordattentätern und Serienmörder? An das weitgehend unerschöpfte, komplexe Terrain sollten Betrachter, dem Vorbild des Künstlers folgend, zwischen Sarkasmus und Ernsthaftigkeit schwankend, offen und spielerisch, auf keinen Fall rein wissenschaftlich und philosophisch herangehen.
Dr. Ute Bopp-Schumacher
Oktober 2003